Draussen in der Natur fühlt sich Martina Hildén am wohlsten. Hier lässt sich die Biodiversitätsexpertin und Beraterin Vertrieb bei Hydroplant für ihre Projekte inspirieren. Das Feingefühl für Pflanzen, die natürlich in der Schweiz vorkommen, fliesst dabei genauso ein wie ihr umfangreiches Wissen über den Wert der Biodiversität. Ein Gespräch zwischen und über Pflanzen – im Gewächshaus.
Martina Hildén, welcher Weg führte Sie vor fünf Jahren zu Hydroplant?
Ich komme ursprünglich aus Finnland, wo ich auch studiert habe. Über eine Freiwilligenarbeit in einer Vogelstation kam ich zum ersten Mal in die Schweiz und war sofort angetan. Während meines Bachelors war ich immer wieder hier, habe fünf Jahre im Bereich Naturgartenbau und -pflege mit Schwerpunkt Teich gearbeitet. Danach, als ich meinen Master in Umwelt und Natürlichen Ressourcen als Fernstudium begann, habe ich parallel nach Stellen gesucht. Bei Hydroplant wurde ich fündig und konnte den Master begleitend zum Job abschliessen.
Ihr Beruf klingt ziemlich grün. Nehmen Sie uns auf einen typischen Arbeitstag mit.
Normalerweise ist mein Arbeitsplatz in Zürich in unserem Büro im Werk 11. Ich arbeite die meiste Zeit tatsächlich am Computer und begleite die Projekte von der Anfrage bis zur Auslieferung. Wenn ich zwischendurch bei Auslieferungen vor Ort dabei sein kann, ist das eine willkommene Abwechslung. Darüber hinaus unterstütze ich das Team bei den Fassaden- und Aussenbegrünungen. Ein Bereich, der boomt und mich auch persönlich fasziniert.
Was darf an einem gelungen Tag für Sie nicht fehlen?
Frische Luft und Bewegung! Ich bin gern in der Natur, insbesondere im Wald. Das gehört zu einem guten Tag einfach dazu. Daher versuche ich jeden Tag, neben der Computerarbeit, wenigstens einen kleinen Spaziergang draussen zu machen.
Welche Aufgaben umfasst die Betreuung eines Projektes?
Ich bin die zentrale Ansprechperson und leite die Projekte ganzheitlich. Von der Entwicklung bis zum Projektmanagement. Das heisst, der Kunde oder die Kundin beschreibt mir zunächst, was er oder sie sich vorstellt und wir schauen dann gemeinsam, ob und wie sich die Idee umsetzen lässt. Ich mache Lichtmessungen vor Ort, entwickle zusammen im Team das Konzept und plane, welche Pflanzen wo hinkommen. Die Umsetzung kann sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und über einen längeren Zeitraum dauern – auch aufgrund von Lieferfristen. Das müssen wir immer mitberücksichtigen und gut planen.
Inwiefern unterscheiden sich Innenbegrünungen von Aussenbegrünungen?
Bei Projekten im Innenraum ist es wichtig, dass die Pflanzen genügend Licht bekommen, die Temperaturen stimmen und die Wasserversorgung passt. Das alles muss bei Aussenprojekten natürlich auch beachtet werden. Aber hier spielt die Umgebung nochmals eine viel grössere und wichtigere Rolle. Geht es um eine Fassade oder eine Aussenbegrünung, schaue ich mir die Umgebung genau an, um entscheiden zu können, welche Pflanzen geeignet sind. Der grössere Teil der Arbeit umfasst dabei die Technik, Statik, Gefahrenabwägung, den Brandschutz und Schnittstellen zur Haustechnik vom Gebäude.
Haben sich die Wünsche der Kundinnen und Kunden über die Zeit verändert?
Ich beobachte, dass seit der Coronapandemie vielen Menschen bewusster ist, wie schön es ist, Pflanzen um sich zu haben. Die Unternehmen denken bei der Arbeitsplatzgestaltung und den New-Work-Konzepten um: Es gibt Homeoffice-Optionen und flexible Arbeitsplätze. Den gewonnenen Raum gestalten sie als Erlebnis- und Begegnungszonen – auch mit Pflanzen und grünen Installationen – attraktiver und wohnlicher, damit sich die Mitarbeitenden wohlfühlen.
Und in puncto Aussenbegrünung?
Bei Projekten im Aussenraum ändert sich ebenfalls einiges. Immer mehr Gemeinden und Städte wollen und müssen grüner werden. Sie schaffen attraktive Aussenräume durch grüne Installationen und wollen die Biodiversität aktiv fördern. Unternehmen nutzen zudem Pflanzen, um die Temperaturen in ihren Gebäuden zu regulieren.
Wie funktioniert das?
Mit einer durchdachten Aussenbegrünung lassen sich Gebäude nachhaltig dämmen und die Temperatur im Innenbereich senken. Zudem können wir das Regenwasser auffangen und besser nutzen. In Anbetracht der immer höheren Temperaturen im Sommer muss der Blick über das einzelne Gebäude hinausgehen. Unsere Städte sind kompakt gebaut und speichern Wärme. Vor allem Materialien wie Beton und Asphalt heizen sich schnell auf und zwischen den Gebäuden zirkuliert die Luft nicht. Das Resultat: In den Städten bilden sich Hitzeinseln. Hier müssen wir ansetzen und neue Lösungen durch grosse grüne Installationen entwickeln.
Städte sollen begrünt werden, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken.
Genau, je mehr freie Grünflächen wir haben, desto besser. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir auch überlegen, wo wir wirklich bauen müssen und wo wir Flächen frei lassen können. Und dort, wo kompakt gebaut werden muss oder wo bereits Gebäude stehen, sollten wir zumindest die Fassaden und Dächer grüner gestalten und grosse Bäume stehen lassen.
Der Bundesrat hat mit dem Aktionsplan Biodiversität den Schutz der heimischen Pflanzen- und Tierwelt in den Fokus gerückt. Welche Rolle spielt die Gebäudebegrünung dabei?
Im besten Fall bietet Gebäudebegrünung Lebensräume für die heimischen Pflanzen und Tierarten. Dafür müssen viele Faktoren stimmen. Richtige Pflanzen am richtigen Standort, verschiedene Strukturen, die Umgebung, die Arten, die hier vorkommen und so weiter. Eine unberührte Grünfläche ist natürlich immer die beste Lösung. Gebäudebegrünungen werden in erster Linie errichtet, um die Energiekosten zu senken, Schatten für die Gebäudenutzenden zu schaffen oder einen optischen Effekt zu erreichen. Und da fällt die Entscheidung oft auf immergrüne Pflanzen. Die sind hier aber selten heimisch und nützen der Biodiversität eingeschränkt. Biodiversität fordert einen ganzheitlichen Blick.
Welche Alternativen schlagen Sie vor?
Wenn wir bei der Auswahl der Pflanzen den Fokus auf die Lebewesen legen, die es in der Umgebung gibt und uns fragen, was sie benötigen, können wir gezielt neue Lebensräume schaffen. Wenn wir mehr für die Biodiversität machen, erhalten wir Wände, an denen sich Schmetterlinge, Vögel und Insekten wohlfühlen. Das ist auch für uns Menschen sehr schön anzuschauen. Und die Umwelt erhält Raum, sich zu entfalten. Aber wir müssen in Kauf nehmen, dass eine biodivers gestaltete Fassade im Winter nicht komplett grün ist. Wir tragen die Verantwortung, Menschen dafür zu sensibilisieren und ihnen Optionen aufzuzeigen.
Welche Projekte reizen Sie besonders?
Mich fasziniert die nachhaltige und holistische Pflanzenplanung und die damit verbundenen Herausforderungen. Schaut man sich ein Gebäude von aussen an wird schnell klar: Auf jeder Seite des Gebäudes herrscht ein anderes Mikroklima, denn jede Seite zeigt in eine andere Himmelsrichtung. So wirkt der Sonnenstand, je nach Tages- und Jahreszeit, anders auf das Gebäude. Dadurch gibt es entsprechend unterschiedliche, aber auch eingeschränkte Möglichkeiten diese Flächen zu begrünen. Eine spannende Challenge.
Welche Pflanzen leben bei Ihnen zu Hause?
Drinnen noch sehr wenige, aber auf meinem Balkon habe ich viele Kuckuckslichtnelken, Schafgarben, Glockenblumen und Wiesen-Flockenblumen. Meine Philosophie für meinen Balkon: Es kommt, was kommt. Selbst wenn Pflanzen sterben, haben sie etwas versamt, das dann wächst. Ich lasse mich gern überraschen.
Beenden Sie diesen Satz: Ein Büro ohne Pflanzen ist wie …
… ein Balkon ohne Aussicht. Selbst wenn es nur eine Pflanze gibt, ein Büro lebt sofort auf, wenn darin etwas Grünes zu sehen ist.